73 und kein bisschen müde: Auftakt zur Deutschlandtournee des Holländers am Donnerstagabend in Nienburg
von Sabine Lüers-Grulke
Nienburg. Besucher, die ein melancholisches Abschiedskonzert erwartet hatten, sind schnell eines besseren belehrt worden: Einen erstaunlich schönen Abend erlebten jetzt die Gäste im seit langem ausverkauften Nienburger Theater mit Herman van Veen – holländischer Sänger, Songwriter, Clown und Entertainer. Und er selbst war nach mehr als zweieinhalb Stunden schließlich genauso glücklich wie sein Publikum: „Dass das alles noch so geht“, freute er sich.
© Sabine Lüers-Grulke/Die Harke
Alles, das war nicht nur die Musik. Der fast 74-Jährige hüpfte und tänzelte in seinen roten Socken über die Bühne, schmiss den Klavierdeckel auf und zu und bot nicht nur wunderbare Musik, sondern einfach beste Unterhaltung bei diesem Auftakt zu seiner Deutschland-Tournee.
Bekannte Titel waren Mangelware. Jedoch weiß man bei Herman van Veen ja ohnehin nie, was er bieten wird. Er spielte an diesem Abend den „Kleinen Fratz (auf dem Kinderrad)“ nur kurz an. Als das Publikum spontan applaudierte, war es schon fast wieder vorbei, kommentiert vom Sänger selbst: „Das habe ich 1972 geschrieben, für meine älteste Tochter Babette. Sie ist jetzt 51.“
Das Alter ist ein großes Thema für van Veen. Ob er erzählte, dass man „Meerschweinchen einfach nicht tot kriegt“ („Wenn deine Tochter heiratet, hast du immer noch ihr Meerschweinchen am Hals“), oder er beschrieb, wie er an jedem Morgen das Gefühl hätte, dass er seinen Vater rasieren würde, so ähnlich sähe er ihm inzwischen.
Ein bisschen nachdenklicher machte sein Song über das Alter: „Warum gibt es keine Arznei gegen Alter und Einsamkeit“. Das zärtliche Lied „Ich lieb dich noch“ widmete er seinem 2014 verstorbenen Bühnenpartnert Erik van der Wurff, mit dem er über 50 Jahre lang zusammen Musik gemacht hatte. Auch die Gedanken aus seinem neuen Buch, das erst im Sommer erscheinen wird, haben das Alter zum Thema: „Haarausfall, Vergesslichkeit, Hämorrhoiden und die Abwesenheit von Zukunft.“
Gottseidank nimmt Herman van Veen das Unabänderliche und auch sich selbst nicht so ernst, das macht ihn sympathisch. „Wir sind widerwillig mit Ihren Liedern aufgewachsen. Unser Vater war Ihr größter Fan. Er wird jetzt 72“, zitierte er aus seiner Fanpost. Auch seine Beschwerde, dass man ihn niemals gefragt habe, ob er sein Land beim Eurovision Song Contest vertreten würde („Ich habe 52 Berufsjahre Erfahrung! 52 Jahre!“), wurde von Lachen begleitet.
Dass er singen kann – und so gut wie früher –, bewies er in einem veralbernden Opern-Medley, in welchem er alle Stimmen imitierte, sogar einen ganzen Chor. Er ist und bleibt ein Clown, der immer wieder seine Schuhe auszog, um in seinen roten Socken einen Moonwalk hinzulegen, bei dem Michael Jackson hätte neidisch werden können – auch wenn er danach den überlangen Schuhanzieher benötigte.
An diesem Abend wurde viel gelacht. Ob über van Veens Grimassen, mit denen er manchmal an Otto Waalkes denken ließ, oder über seine Sprüche wie „wir sind von nach dem Kriege. Hoffentlich bleibt das so“. Seine Mitmusiker griffen, wie er selbst, zu den verschiedensten Instrumenten von Geige über Gitarre und Mundharmonika bis zum Schlagzeug. Ein wilder Trommelwirbel beendete seinen Auftritt; die Funken sprühten und versetzten das Publikum noch einmal in Ekstase. Stehende Ovationen folgten fast auf dem Fuße, und erst nach mehreren Zugaben war van Veen gewillt, die Bühne zu verlassen.
„Fahren Sie schön vorsichtig nach Haus“, ermahnte der Holländer seine Zuhörer, „dann sehen wir uns vielleicht in zwei, drei Jahren wieder hier in Nienburg“. Das wäre schön!