Theater für Niedersachsen inszenierte eine Geiselnahme in Pakistan in „Die unsichtbare Hand“
Theater für Niedersachsen inszenierte eine Geiselnahme in Pakistan in „Die unsichtbare Hand“
von Sabine Lüers-Grulke
Nienburg. Schon die Szenerie lässt einen frösteln: ein bis unter die Decke weiß gekachelter Raum, ein paar Röhren, an der Wand ein Waschbecken, aber darüber kein Spiegel mehr, sondern ein Bild mit arabischen Schriftzeichen. In der Mitte des Raums droht ein gefliester Block. Was wird wohl an diesem Abend darauf zerhackt, geschnitten und zerteilt, fragt man sich als Zuschauer unwilkürlich. Gott sei dank nichts. Dennoch geht das Schauspiel „Die unsichtbare Hand“ unter die Haut. Rund 200 Zuschauer sahen die Aufführung des Theaters für Niedersachsen am Donnerstagabend in Nienburg auf der Hornwerkbühne.
© Sabine Lüers-Grulke/Die Harke
Gott sei dank nichts. Dennoch geht das Schauspiel „Die unsichtbare Hand“ unter die Haut. Rund 200 Zuschauer sahen die Aufführung des Theaters für Niedersachsen am Donnerstagabend in Nienburg auf der Hornwerkbühne.
Schade, dass dies aktuelle Drama nicht mehr Besucher angezogen hatte. Aber Jörg Gades Inszenierung des Schauspiels, das Ayad Akh-tar, Sohn pakistanischer Auswanderer, geriet erschreckend real. Wie in einem Kammerspiel agierten vier Männer in dieser gefliesten Hölle, in der ein Eimer als
Toilette dient und drei schwere Riegel allein durch ihre Schließgeräusche suggerieren, dass hieraus kein Entkommen möglich ist. Das drohende Gebrumm von Kriegsdrohnen, flackerndes Neonlicht und ein von Hunden zerbissenes, entzündetes Bein der Geisel sorgen für Entsetzen beim Zuschauer.
Einer der beiden Hauptdarsteller ist Moritz Nikolaus Koch als versierter Börsenmakler, der innerhalb von Minuten viel, viel Geld machen konnte. Unter anderem offenbar auch mit der Privatisierung von Wasser: Die läuft allerdings „den Interessen des Volkes zuwider“, sagt sein Geiselnehmer. Denn Nick sitzt jetzt in diesem Schlachthaus, zunächst an den Händen, später auch an den Füßen gefesselt, und hofft, dass irgendjemand die geforderten zehn Millionen Dollar an Lösegeld für ihn zahlt.
Aber niemand kümmert sich. Nicks Bewacher ist Bashir (Dennis Habermehl), ein in London aufgewachsener Pakistani, der jetzt seinem Volk Geld und damit Gerechtigkeit zukommen lassen will. So kommt Nick auf die verzweifelte Idee, sein Lösegeld selbst zu verdienen. Ein Jahr gibt man ihm Zeit, an der Börse zu zocken, um die zehn Millionen Dollar zusammenzubringen.
Bashir wird sein gelehriger Schüler. Zunächst gehorcht auch er dem Imam (Martin Schwartengräber), der das zwischenzeitlich wachsende Kapital für vermeintlich soziale Zwecke immer mal wieder „entnimmt“ und so die Leiden von „Goldesel“ Nick ständig verlängert.
Doch irgendwann verfällt auch Bashir dem Rausch des schnellen Geldmachens mit „Futures“ und „Put“-Optionen, mittels derer man am Aktienmarkt spekulieren kann, ohne selbst eine einzige Aktie zu besitzen. Am Schluss zeigt sich, wie gut er aufgepasst hat: „Ich habe die Rupie geschrottet“, freut er sich. Darüber, dass er mittels eines eingefädelten Bombenattentats auf die pakistanische Bank nicht nur etlichen Bankern den Tod gebracht, sondern gleichzeitig für den totalen Verfall der heimischen Währung gesorgt hat.
Das zweistündige Schauspiel thematisierte, wie sehr Geld den Charakter korrumpiert. Bedrückend und beeindruckend zugleich spielten die beiden Hauptakteure ihre Rollen so packend, dass man ihren Schmerz, die Wut und die Trauer tatsächlich mitfühlte. Angesichts der Gewalt und der düsteren Atmosphäre war es allerdings auch ein Stück, für das man starke Nerven brauchte. Der reiche Beifall der Besucher belohnte die vier Schauspieler.