Katharina Thalbachs Inszenierung von Tennessee Williams „Die Glasmenagerie“ bleibt nah am Original Von Sabine Lüers-Grulke
Nienburg. Es waren sicherlich die Namen der Thalbachs – Katharina als Regisseurin, Tochter Anna und Enkelin Nellie als Hauptdarstellerinnen –, die am Montagabend das zahlreiche Publikum ins Nienburger Theater gelockt hatten. Dort gab es zweieinhalb Stunden Einblicke ins triste Leben der vom Vater und Ehemann verlassenen Familie Wingfield: Mit dem Stück „Die Glasmenagerie“ hatte Autor Tennessee Williams in den 1940er-Jahren seiner eigenen labilen Biografie ein Denkmal gesetzt und den literarischen Durchbruch geschafft.
© Sabine Lüers-Grulke/Die Harke
Katharina Thalbachs Inszenierung, die an der Komödie am Kurfürstendamm seit geraumer Zeit gespielt wird, hielt sich nah am Original des Südstaatenautors. Ab und zu jedoch durchbrach Anna Thalbach als Mutter Amanda mit ihrem Redeschwall auf amüsante Art die Tristesse, die sich aus chronischem Geldmangel, verklärten Erinnerungen und ungelebten Hoffnungen speiste.
Amanda ist die überfürsorgliche Mutter, die sogar das Essverhalten ihrer erwachsenen Kinder noch kontrollieren will. Sie kokettiert immer noch mit ihrer Vergangenheit als Südstaaten-Schönheit aus einst reichem Hause. Doch in der Wirklichkeit ist sie einem Trinker auf den Leim gegangen, der schon vor vielen Jahren das Weite gesucht hat. „Hallo. Lebt wohl.“: Nur diese Worte waren auf seiner letzten Postkarte zu lesen.
Sohn Tom (in seiner ersten Rolle seit „Bibi und Tina“: Louis Held) begehrt auf gegen die dominante Mutter, beschimpft sie und kann dennoch seine Rolle als Ernährer der Familie – mittels eines Lagerhaus-Jobs – nicht aufgeben. Vor allem nicht Lauras wegen, der krankhaft schüchternen Schwester (Nellie Thalbach). Sie ist mehr Kind als Frau; und während er sich nächtelang ins Kino flüchtet und Gedichte schreibt, zieht sie sich zu ihren Glastieren zurück, die ebenso zerbrechlich sind wie sie selbst.
Das Ende ist bekannt: Lauras vermeintlicher Verehrer Jim (Sven Scheele) schafft es für wenige Augenblicke, das scheue Mädchen mit dem verkrüppelten Fuß aus ihren Zwängen zu befreien. Einen Tanz und einen Kuss später ist der Traum jedoch ausgeträumt; Jim ist bereits vergeben. Zurück bleiben drei gequälte Seelen und ein begeistertes Publikum.